Fünf Dinge, die Sie nicht über Lisec wussten The best of two worlds

Zwei Tage hat GFF an den Lisec-Standorten in Niederösterreich recherchiert, einige Gespräche geführt sowie einen Blick in die Seele des Global Market Leaders für die Anlagentechnik in der Glasbearbeitung erhascht. Lesen Sie, was Sie bis dato vielleicht noch nicht über Lisec wussten.

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    © Filip Miermans/Lisec
    Der Stiftungsrat informiert Sabine Lisec (50) über operative Entscheidungen, die Firma und das Lebenswerk ihres Vaters betreffend. Dass sie mit DI Gottfried Brunbauer (58) als CEO indes auf menschlicher Ebene harmoniert, das zeigt dieses Bild.
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    Alois Soxberger (44) ist verantwortlich für die Lehrlingsausbildung beim Anlagenbauer. Dabei ist ihm wichtig, neben den üblichen Zugangsvoraussetzungen auch persönliches Engagement zu honorieren.
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    Alois Litschauer (54) ist Schulungsleiter und macht die Lisec-Monteure sowie die Betreiber mit der Technik made in Austria vertraut. Fünf Coaches haben 2018 am Schulungscenter 550 Trainertage abgeleistet.
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    © Filip Miermans/Lisec
    Manfred Lesiak (60) ist Event Manager und in die Organisation aller Messeauftritte eingebunden. So hat er über die Jahre das Bild von Lisec auf glasstec, Chinaglass, GlassBuildAmerica entscheidend geprägt.

Sabine Lisec äußert sich zum ersten Mal überhaupt in der Presse zu einer Branche, die ihrem Vater – Kommerzialrat Peter Lisec (1937-2009), 1961 Gründer der Glastechnischen Industrie Peter Lisec als Einzelfirma – alles bedeutete. Ein Tüftler, der wenig auf insbesondere akademische Vorleistungen („Diese Universitätsheinis“, erinnert sich die heute 50-jährige Tochter an ein geflügeltes Wort des Pioniers) und viel auf den Einsatz in der Firma gab; ein fordernder, mitunter harter Patriarch, der bedingungslos zu seiner Führungsmannschaft stand; ein Nonkonformist, der sich nicht mit Konventionen, weder im Management noch in der Technik, aufhielt; aber eben auch ein liebender Vater und ein fürsorglicher Unternehmer, dessen immer rascher wachsendes Imperium den Mitstreitern nicht nur Brotgeber, sondern auch geistige, ja seelische Heimat sein sollte – und war: Die Facetten, die neben der Tochter Manfred Lesiak (60; Event Management, Marketing), Markus Fischer (44; Vertriebsleiter Software weltweit), Alois Soxberger (44; Leiter der Lehrlingsausbildung), DI Gottfried Brunbauer (58; CEO) und Alois Litschauer (54; Leiter Training und Schulung Kunden und Mitarbeiter) vom Unternehmen und von seinem Gründer zeichnen, machen klar – beides ist bis zum heutigen Tag eng miteinander verwoben. Das spiegeln die beruflichen Biografien der Gesprächspartner deutlich wider: „Was kann er? Englisch“, so erinnert sich der Leiter des Event Managements im Frühsommer 2019 an sein Vorstellungsgespräch, das vom 18. September 1978 datiert. Damals arbeiten 150 Personen für den Maschinenbauer, der Lisec – groß geworden durch den Isolierglas-Boom – da bereits ist; wenige Jahre später, 1981, zählt die Firma laut Lesiak 500 (!) Beschäftigte. So wie der Unternehmer seine Leute rein nach deren Eignung einsetzt – tatsächlich treffen wir fast nur Mitarbeiter, die eine ganze Handvoll Abteilungen durchlaufen haben – so beweglich handhabt Peter Lisec das Produktportfolio: Mit dem Mofa als Einzelperson und Glaserer (der österreichische Glaser) mit Reparaturservice gestartet, beginnt 1966 die „fabrikmäßige“ Iso-Fertigung – und steigt aufseiten des Unternehmers die Unzufriedenheit mit den vorhandenen Produktionsmitteln; bereits Ende der 70er-Jahre, so erinnert sich Lesiak an den Abschnitt nach seiner zweiwöchigen (!) Probezeit, verkauft er die erste vertikale Bearbeitungslinie. Der Verkaufsabteilung von Gerhard Marschall zugeteilt, erlebt der heute 60-Jährige selbst, wie schnell Kundenfeedback sich in neue Lösungen übersetzen lässt: Weil die Verarbeiter in den 80er-Jahren mit der Optik des Abstandhalters nicht zufrieden sind, übernimmt der heutige Event Manager kurzerhand Fertigung und Vertrieb eines Lisec-eigenen, mit dem Rollformer produzierten Abstandhalter-Systems.

Übrigens: Karl Lenhardt aus dem Schwäbischen, der Gründer des gerade von Glaston akquirierten Anlagenbauers, war praktisch der einzige Marktbegleiter des späteren Kommerzialrats in dieser Zeit – und wohl auch in persönlicher Hinsicht ein Gegenspieler, wie viele, noch ganz anders lautende, Beschreibungen der Zeitzeugen nahelegen; umso mehr beeindruckt hat es Manfred Lesiak, der niemals den Tag vergessen wird, als am Hauptgebäude plötzlich die schwarze Fahne wehte, dass es sich Karl Lenhardt nicht nehmen ließ, an der Beisetzung des Konkurrenten teilzunehmen. Was in den Folgejahren passierte, gehört zu den weniger gerne erinnerten Epochen einer bald 60-jährigen Unternehmensgeschichte; „schließlich“, wie der heutige CEO DI Gottfried Brunbauer im ersten GFF-Gespräch nüchtern analysierte, „markiert der Übergang vom inhaber- zum managementgeführten Unternehmen immer einen Einschnitt.“ Dabei, das muss man der Vollständigkeit halber erwähnen, reflektieren Angestellte wie der 44-jährige Leiter der Lehrlingsausbildung Alois Soxberger durchaus die Unterschiede im Kompetenzzuschnitt: „Der Chef war halt der Chef, er musste niemand fragen. Der hat dann auch Maschinen zugesagt, die es noch gar nicht gab“, erinnert sich der damalige Produktionsmitarbeiter, der sich zu 100 Prozent („I bin Lisec“) mit seinem Arbeitgeber identifiziert. Das war kein reines Zuckerschlecken, „wenn der Chef am Schichtende vorbeikam und mal eben mitgeteilt hat, dass die Anlage anderntags um 9 Uhr verladen werden sollte“. Freilich sei Kommerzialrat Peter Lisec dann auch um 21 Uhr in der Halle gestanden, mit einem prall gefüllten Korb, und habe erstmal mit seinen Männern Brotzeit gemacht. Für Soxberger und seine Kollegen sei es damals Ehrensache gewesen, dass die Maschine nach einer langen Nacht wie gewünscht um 9 Uhr morgens zur Verladung bereitstand – und dieser Einsatz wurde vom Chef honoriert.

Stets um die zehn Lehrlinge stellt der österreichische Anlagenbauer derzeit per anno ein, auch Lisec spürt im Ringen um die fähigsten Bewerber den Wettbewerb beispielsweise durch Automobilbauer BMW in Steyr: Soxberger, der trotz – wie er selbst sagt – überschaubaren schulischen Vorleistungen eine Meisterausbildung sowie langjähriges Engagement in der Facharbeiterqualifizierung vorzuweisen hat, ist in seiner heutigen Tätigkeit daran gelegen, auch in der Personalauswahl das Erbe des Gründers zu pflegen: „Ich schaue immer darauf, dass wir nicht nur vermeintlich sehr guten und guten Lehrlingen eine Chance geben. Denn oft sind es hinterher die anderen, die sich für den Betrieb mehr reinhängen“, ist der Nebenerwerbslandwirt überzeugt. Das Menschliche, merkt Sabine Lisec, selbst als Betreiberin einer Ranch für Westernreiter unternehmerisch tätig, im exklusiven Gespräch mit dem GFF-Redakteur sehr offen an, ist es, was in den ersten Jahren nach dem Tod ihres Vaters zu kurz gekommen ist.

Unmöglich, den Vater zufriedenzustellen

„Ich habe den Geschäftsführern immer ans Herz gelegt, sich auch bei den Arbeitern in der Produktion sehen zu lassen. Mein Vater hatte für seine Leute immer ein offenes Ohr und hat in persönlichen Notlagen vielfach unkompliziert geholfen“, sagt die heute 50-Jährige, die mit einem Texaner zusammen ihre Leidenschaft für Pferde zum Beruf gemacht hat. „Er wollte stets“, dass wir Kinder in die Firma gehen“, verrät sie dem GFF -Reporter, musste während ihrer Zeit von 1988 bis 1992 in der Optimierung des Glaszuschnitts aber eben auch selbst erleben, wie schwierig, für sie vielleicht unmöglich es war, Kommerzialrat Peter Lisec zufriedenzustellen: „Er hat an alle Kinder sehr hohe Anforderungen gestellt“, bekennt Sabine Lisec. Was muss es für ein Gefühl für die liebende Tochter gewesen sein, als ihr der Vater am Sterbebett die ersehnte Anerkennung zuteilwerden lässt; denn, auch das muss man wissen, die Gesundheit hatte von ihm schon Jahre vorher in Form krampfartiger Kopfschmerzattacken einen hohen Preis für die jahrzehntelange, auch körperliche Aufopferung gefordert: „In dieser Zeit hatte ich es mir als junges Mädchen zur Aufgabe gemacht, meinem Vater zu helfen, und mit ihm immer wieder wenigstens über Stunden Ausflüge etwa mit dem Fahrrad unternommen.“ Kein Wunder, dass Sabine Lisec, wie sie selbst sagt, bis heute Zwiesprache mit dem geliebten Menschen hält: „Dass er noch vor Augen hat, wie ich mit meinem ersten Pferd, das ich mit zehn Jahren bekommen habe, tanzte“, berichtet sie mit leiser Stimme von den Worten, die ihr Peter Lisec zum Abschied mit auf den Weg gab. Dass dieser zunächst im Nachlassstreit steinig verlief, gehört sicher auch zum Wesensmerkmal des Lisec-Gründers, der sich Zeit seines Lebens mit Produkten, Kunden und Mitarbeitern beschäftigte und dabei nicht nur praktisch komplett auf ein mittleres Management, sondern eben auch auf tragfähige Strukturen für die Zeit nach seinem Ableben verzichtete. Dabei, das unterstreicht unser Gespräch mit Markus Fischer, dem weltweiten Software-Vertriebsleiter, war Kommerzialrat Peter Lisec in erster Linie Geschäftsmann und daher willens, seine Überzeugungen an die Erfordernisse der Zeit anzupassen, sofern dies nötig und erfolgversprechend war: „Gerhard Spittersberger, ursprünglich Buchhalter“, erinnert sich der aus Italien zugeschaltete 44-Jährige am Telefon, „hatte als Geschäftsführer der damaligen Softwaresparte in den 90er-Jahren unter dem Namen SpiOrder ein Programm für die Auftragserfassung geschrieben, das ein Tool für die Preiskalkulation beinhaltete. Kommerzialrat Peter Lisec war der Auffassung, das sei nicht nötig“ – um diese infolge der rasch einsetzenden Nachfrage sogleich zu korrigieren: Das Programm hieß jetzt LiOrder, Fischer erinnert sich an die schon zu dieser Zeit angestellten Überlegungen, in einer Produktion die Anlagentechnik miteinander zu vernetzen. Heute macht Lisec acht bis neun Prozent des Umsatzes mit der eigenen Glasverarbeitung, während etwa fünf Prozent auf die Software entfallen; insbesondere bidirektional kommunzierende Maschinen in Hinblick auf maximale Flexibilität und Predictive Maintenance stellen das größte Zukunftspotenzial dar.

Vergangenheitsfähigkeit, Zukunfts-bewältigung oder umgekehrt?

Wie geht man nun als angestellter Geschäftsführer/CEO mit dieser emotionalen Gemengelage in einem Unternehmen um, in dem sich gerade so manch tragende Säulen noch lebhaft, manchmal sicher auch verklärend an den Gründer erinnern? „Lisec hat eine einzigartige Historie, die es zu respektieren gilt“, sagt DI Gottfried Brunbauer, der 2018 gemeinsam mit CFO Oliver Pichler auf die Kommandobrücke wechselte. Gleichzeitig geht es um Zukunftsfähigkeit. Tatsächlich, so lautet die Erkenntnis nicht nur dieses Gesprächs mit dem 58-jährigen Unternehmenslenker, kann manchmal auch ein Schritt zurück ein Schritt nach vorne sein: „Der persönliche Aspekt ist uns sehr wichtig, wir wollen für die Mannschaft präsent sein. Dazu gehört ein wertschätzender Umgang mit der Galionsfigur Kommerzialrat Peter Lisec“, formuliert der erfahrene Topmanager als Credo. In der Folge habe er, Brunbauer, das Vertrauen der Belegschaft gespürt, etwa bei der Umstrukturierung von funktions- wieder zu produktbezogenen Teams im Bereich R&D. Freilich habe dies schlicht auch damit zu tun, „nicht Wasser zu predigen und Wein zu trinken“.

So hebt denn auch Sabine Lisec als Eigentümervertreterin explizit die Reduzierung der Geschäftsleitung von vier auf zwei Personen hervor. Gleichzeitig hat der Vorstandsvorsitzende die Qualität im After Sales Service als Aktivität mit der höchsten Priorisierungsstufe definiert, weil dieses Feld als höchst sensibel gilt, was die Wahrnehmung von Lisec durch die Kunden betrifft. Es ist kennzeichnend für Brunbauer, dass er in seinem Handeln konsequent bleibt: „Natürlich ist hier die After Sales-Mannschaft gefordert, aber am Ende betrifft uns das alle. Ich habe zugesichert – und dies auch schon durchexerziert – dass im Bedarfsfall auch andere Abteilungen Ressourcen zur Verfügung stellen, wenn beim Kunden Not am Mann ist.“ Überhaupt hat der CEO seiner kompletten Mannschaft, vom Vertrieb über die Verwaltung bis zur GL, aktiven Kundenkontakt verordnet; was nicht nur in der Zielgruppe ausgezeichnet ankommt. Denn, so informiert Schulungsleiter Alois Litschauer, kürzlich hat das Unternehmen in ein hochmodernes Schulungscenter investiert, an dem fünf Coaches vergangenes Jahr 550 Trainertage ableisteten – sowohl für die Mitarbeiter als auch zum Vorteil der späteren Anlagenbetreiber. Denn am Ende zählt, was die verkaufte Maschine beim Kunden zu leisten imstande ist: So gesehen gilt, was Manfred Lesiak gleich zu Beginn eines halben Dutzend Gespräche als Zukunftshoffnung an Lisec formuliert hatte: „The best of two worlds – der Chef kommt nicht mehr; aber wir dürfen und werden auch nicht alles über Bord werfen.“