Sichtweise von Tim Driedger So bewertet ein Architekt den Einsatz von schaltbarem Glas

Dipl.-Ing. Architekt (FH) Tim Driedger ist leitender Inhaber des Büros in_design architektur in Frankfurt am Main. Exklusiv für GFF hat er aufgeschrieben, was er von dynamischen Gläsern hält und welche Erfahrungen er in der Praxis gemacht hat.

Dipl.-Ing. Architekt (FH) Tim Driedger ist leitender Inhaber des Büros in_design architektur in Frankfurt am Main. - © Alexandra Lechner

Vor mehr als 20 Jahren wurde elek­tro­chro­me Verglasung nicht nur zur Verdunklung von Innenspiegeln im Auto verfügbar, sondern auch auf größeren Flächen für Gebäu­de. Der Coolness-Faktor ist auch heute noch enorm: geradlinige Gestaltung im Sinne der klassischen Moderne, aber mit adaptivem Sonnenschutz gegen sommerliche Überhitzung; vollkommen transparente Wände, die sich bei Diskretions­wunsch auch opak schalten lassen – in vielerlei Hinsicht für uns Architekturschaffende also the best of both worlds.

Preis als Hindernis

Viele von uns sehen daher ständig und immer wieder Einsatzmöglichkeiten – doch der Preis. Unserer Erfahrung nach sind nahezu immer, wenn Bauherren die Begeisterung für das Feature teilten, die technischen Alternativen schließlich doch nicht mehr so schlecht, wenn mal die konkreten Kosten auf dem Tisch liegen. Ein Einsatz nur in kleinen Teilflächen scheidet oft aus, weil dann der Gag weg ist und der Einsatz sowie der finanzielle Aufwand für nebensächliche Details unverhältnismäßig erscheinen. Technische Anforderungen, für die schaltbares Glas eine gute Lösung ist, begegnen uns häufig. Sonnenschutz für ein Gebäude auf dem Flughafen? Die Böen und der Flugzeug-Abgasstrahl schließen alles außen Liegende aus, innen muss es auch wartungsarm und vandalismussicher sein. Zudem soll der Ausblick immer erhalten bleiben. Schaltbares Glas ist die ideale Antwort – aber in großen Flächen ein wahrnehmbarer Kostentreiber.

Einsatzmöglichkeiten vorhanden

Ein Glasaufzug im Gerichtsgebäude, in dem auch Angeklagte unerkannt befördert werden sollen; der Besprechungsraum, den man generell transparent, aber für die vertrauliche Vertragsverhandlung mal diskreter schalten möchte – zudem noch den Verhandlungspartner beeindrucken? Das geht ebenfalls prima mit einem Tastendruck. Die Bauherren, die sich das leisten können, sind aber spärlich gesät, so dass auch die Hersteller nur begrenzten Umsatz machen und folglich nur ein begrenztes Spektrum an Produkten entwickeln.

Für jede Tür, jedes Glasseitenteil, jedes Fenster oder jede Innenwand muss die Zulassung und Einbindung in die Haustechnik individuell gelöst werden, selbst wenn der Bauherr den Aufwand geleistet haben möchte. Am Ende ist das Beeindruckende dann auch noch kaum wahrzunehmen, es ist nahtlos in die Gestaltung integriert. Nicht alles, was architektonisch erfreulich ist, lässt Bauherren jubilieren.

Verbreiteterer Einsatz eine Frage der Zeit

Gerade in der aktuellen konjunkturellen Situation, in der viele Verarbeitende und Händler froh sind, wenn keine Sonderwünsche kommen, muss also viel gelingen und die Motivation bei allen hoch bleiben, damit ein Vorhaben mit schaltbarem Glas wirklich umgesetzt wird. Doch: Trotz aller Hemmnisse und jahrzehntelanger Entwicklung behält schaltbares Glas sein zukunftsgewandtes und geradliniges Image, so dass man hoffen darf, dass sein verbreiteterer Einsatz in hochwertiger Architektur nur eine Frage der Zeit ist.