Bau 2019, 14.-19.1. in München Personalnöte des Handwerks erklimmen Prioliste der Großen

Service und Produkte der herstellenden Industrie tragen Ressourcenproblemen der Verarbeiter Rechnung. Die Bau 2019 ist eine in der Inszenierung hochattraktive Trendschau, aber auch ein Menetekel: Was ist, wenn die Rallye im Bottleneck fehlender Personalkapazitäten steckenbleibt.

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    Seamless nennt Schüco den Anspruch, Funktionsbauteile (hier Zip Design Screen) bei der schmalen Profiloptik nahtlos in den Fassadenkontext zu integrieren. Die Aluminium-Fassade UDC 80 ist Teil einer Plattform mit skalierbaren, geprüften Systemkomponenten.
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    Velux (GF Jacob Madsen) steigerte in Deutschland Stückzahlen und legte um drei Prozent zu.
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    Jürgen Hartrampf, Bayerwald-Chef, berichtet von prozentual zweistelligen Zuwächsen 2017/18.
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    Internorm (GF Johann Pichler) will 2019 in Deutschland 75 Millionen Euro einspielen (Erlös).
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    Heavydrive (Chef Günter Übelacker) kletterte von 2,2 Millionen auf 2,8 Millionen Euro Umsatz.
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    Prozentual einstelliges Plus, informiert CSO Guy Muller bei Siegenia. Und: Der manuelle Auftragseingang ist ein Auslaufmodell.
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    Lumon (Deutschland-Vertriebsleiter Andreas Karst) beschickt die Bau seit 1995, der Balkonverglasungsspezi sucht Vertriebspartner.
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    GM Roberto Postacchini stellt Schlüsselkunden die Abrollsicherung Mr. Block für Rollläden mit 35 Newtonmeter Drehmoment vor.
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    Iso-Bloco Hybratec, mit Folien-Sperrschichten durchwirkt, hat Iso-Chemie (Inge Knorn, Dr. Martin J. Deiß) für Top-Werte entwickelt.
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    Abdichtung und Ausführungsplanung in vier Schritten: Nicola Breilmann (li.) und Viola Weiß zum neuen Tremco Illbruck-Service

Schließlich gibt es Anzeichen für eine Beruhigung im Hochbau, der Konjunkturmotor scheint nicht mehr ganz so kraftvoll durchzubeschleunigen. In München freilich spüren wir davon nichts: zwei neue Hallen, aber die Ausstellungsfläche (jetzt 200.000 Quadratmeter) ist pickepackevoll wie immer, mit den dazugehörigen Begleitsounds („Wir hätten gerne noch den Stand vom Nachbarn mit dazu“). Schüco bringt alleine 10.000 Kunden auf die Bau, die Gesamtbesucherzahl klettert über die Viertelmillion, in vielen Segmenten geht der Ausstellungstrend klar in Richtung Süden, was an der Stelle rein geografisch gemeint ist. Und viele schwärmen von der hohen Internationalität, trotz Reisebeschränkungen (mehr Streik als Wetter) strömen planerische und ausführende Zielgruppen nach München. Gewiss besuchen die GFF- Reporter einen Bruchteil der 2.250 Aussteller: Von Verkleinerung oder gar Rückzug ist nirgends die Rede, Hautau fehlt als einer der wenigen Namen, hat aber schließlich gerade eine Übernahme hinter sich. Dennoch: Es könnte bei vielen mehr gehen, doch ein Baufortschritt, der zu oft hinter der (bisweilen fragwürdigen) Planung – lesen Sie dazu unser Exklusivinterview mit Florian Kneer in diesem Ressort – zurückbleibt und fehlende Manpower aufseiten der Branchenbetriebe von Glas bis Fenster verhindern immer öfter die Realisierung dessen, was strategisch und in der Entwicklung ersonnen wurde, in Euro und Cent. Am klarsten spricht das im großen GFF-Film zur Bau 2019 (nur auf www.gff-magazin.de sowie exklusiv im nächsten Emailnewsletter GFF Report) Andreas Engelhardt an, der mit Marktriese Schüco gleichwohl ein Fünf-Prozent-Plus verzeichnet: „Wir hätten alleine in Europa 50 Millionen Euro mehr Umsatz machen können, wenn die erforderlichen Kapazitäten, also Fachkräfte, verfügbar gewesen wären. Insbesondere galt das für den deutschen Markt.“ Der geschäftsführende Gesellschafter verrät beim abendlichen Zusammentreffen, wie schnell sich, wohl auch deshalb, digitale Prozesse bei dem Global Player Bahn gebrochen haben: „Ich kann Ihnen Skizzen dazu zeigen, wie wir vor zwei Jahren die digitale Aufstellung des Konzerns umrissen haben. Nur, wenn ich das heute ansehe, habe ich das Gefühl, das ist nicht zwei, sondern 20 Jahre her.“

Digitale Zwillinge als Datenlager

Die Bielefelder generieren sog. digitale Zwillinge ihrer smarten Elemente für die Gebäudehülle, um mit den dort hinterlegten Informationen Reparatur- und Wartungszyklen und die Verfügbarkeit der eingebauten Komponenten planbar zu machen. Das Digitalisierungsthema, über das im GFF -Film zur Bau auch der Glaser des Jahres 2018, Jürgen Simon aus Mannheim, spricht, führt zu Siegenia. Dort freut sich Marketingleiterin Katja Schreiber darüber, dass Kriterien wie Behaglichkeit oder Raumluftqualität – wie sie der Beschlaghersteller mit seiner Raumkomfort-Kampagne gehighlightet hat – branchenweit mehr und mehr den Techsprech ablösen. Das Unternehmen bzw. die Gruppe geht den Schritt, die Vernetzung nicht nur abseits der Marktbearbeitung in der Fertigung zu nutzen, sondern bezieht Vertriebskanäle in die Prozesse ein: „Wir liefern nicht nur Architekten BIM-Daten, sondern stellen unseren Kunden einen Onlineshop zur Verfügung, in dem die auftragsbezogene Konfiguration seiner Bauteile und die Bestellung verknüpft sind, wobei die Daten direkt Eingang in unser ERP-System finden“, sagt Schreiber.

Was bringt das dem Besteller? Er hat die Sicherheit, dass mit geringer Wahrscheinlichkeit irrtümlich Bestellungen ausgelöst werden, weil er laut Schreiber bei offensichtlichen Falscheingaben eine entsprechende Rückmeldung erhält. Aber das ist nicht alles: „Unser Kunde kann den Status seiner Bestellung verfolgen und erhält einen Termin, wann die Lieferung eintrifft.“ Zwar, sagt im Interview Hersteller Kneer, hätten Endverbraucher falsche Vorstellungen von der Prozesskomplexität, etwa wenn sie sich bei der Farbe des Elements kurzfristig umentscheiden: „Dann heißt es, das muss doch noch möglich sein. Das Fenster ist doch eh noch nicht lackiert.“ Außerdem gelte es, die Betriebe mitzunehmen, schließlich gingen unverändert Bestellungen telefonisch oder auf einem Blatt Papier ein: „Auch diese Kunden sind uns wichtig.“ Dagegen ist sich Guy Muller, bei Siegenia als CSO für das Geschäftsfeld Markt und Kunde in der Kommandozentrale verantwortlich, sicher: „Der manuelle Auftragseingang ist nicht mehr zeitgemäß. Er wird abgeschafft.“ Was sagt der Manager über den Mangel an Personal als Bottleneck: „Das ist ein Problem, aber es sollte keine Überraschung sein. Geht diese Generation mit 64 Jahren in Rente, fehlen zehn Millionen Arbeitskräfte.“

Wir liefern Informationen

Der Chief Sales Officer sieht die Serviceleistung nicht nur in der Vereinfachung des Bestellprozesses – der Onlineshop ist nicht oktroyiert, Katja Schreiber verweist auf die Einarbeitung des Kundenfeedbacks, das Tool werde dem Lieferanten „aus der Hand gerissen“. Aber die Marktpartner der Zukunft liefern „Informationen“ zu den Bestellungen/Bauteilen, damit die bekannten Fragen („Wo habe ich das bestellt? Wer liefert mir Ersatz?“), die gerne Jahre nach dem Auftrag hochploppen, nicht im hektischen Durchwühlen uralter Lieferzettel enden, sondern sich verhältnismäßig bequem mit wenigen Klicks beantworten lassen. Die Gruppe ist 2018 prozentual einstellig gewachsen, dazu trugen westeuropäische Märkte und produktseitig anspruchsvolle Segmente, z.B. die Hebeschiebe-Lösungen, bei, was sich positiv auf den Erlös auswirken sollte.

Ein Onlinetool („Illbruck Abdichtungsplaner“) gibt es auch bei Tremco Illbruck, Profikunden markieren ihre Anschlusssituation, konfigurieren eine Drei-Ebenen-Abdichtungslösung und erhalten nach der gewählten Produktekombi die fertige Ausschreibung als Download. Wie Nicola Breilmann und Viola Weiß auf der Messe zusammenfassen, ändert sich indes nicht nur die Ansprache; der Lieferant hat sich mit seinem Engagement für TÜV-zertifizierte Montageleiter ( GFF berichtete) der Verantwortung für qualitativ hochwertigen Einbau gestellt. Die Produkte selbst sollen anwenderfreundlicher sein und im Handling mehr Sicherheit bieten; Paradebeispiel ist das Multifunktionsband Illbruck TP653 TrioplexX, das mit einem Polymerfilm an der Innenseite die Anschlussfugenabdichtung selbst bei schwankenden Fugenbreiten in der Sanierung und vor allem mit einem um 80 Prozent reduzierten Zeitaufwand für den Bauausführenden ermöglichen soll. Die Marketingspezialistinnen beim Kölner Unternehmen verweisen auf Schlagregendichtigkeit, Schalldämmung und die Luftdichtheit, die immer häufiger mit Blower Door-Tests verifiziert werde; der Lieferant unterstützt bei Bedarf im Vorfeld mit einer Qualitätsprüfung, um Folgekosten im Fall eines nicht erfolgreichen Blower Door-Tests zu vermeiden. Das Ziel, die Komplexität und den Aufwand auf der Baustelle zu reduzieren, verfolgt genauso iso-Chemie, auch wenn die technische Herangehensweise bei den Süddeutschen eine andere ist. Dr. Martin J. Deiß und Inge Knorn verweisen auf die Patent-anmeldung für das neue Multifunktionsfugendichtband Iso-Bloco Hybratec, das im Innenleben mit sog. Folien-Sperrschichten durchwirkt ist und mit dem Anspruch raumseitig absoluter Luftdichtheit die neue Benchmark am Bau sein möchte.

Produkte ändern sich, Sortimente gar

Die Schlagregendichtigkeit gibt der Hersteller mit mehr als 1.050 Pascal an, das Drei-Ebenen-Band verbinde Feuchteresistenz durch die Dampfbremse mit dem Anspruch 100-prozentiger Luftdichtheit dank besagter Folien-Sperrschichten. Dazu erhält der Anwender eine zehnjährige Funktionsgarantie. Mit dem Band lassen sich Fugen von sechs bis 40 Millimeter nach Lieferantenangaben zuverlässig abdichten. In einem Arbeitsgang: Wenn das nicht vorhandene Fachpersonal in der Montage die Wachstumsbremse für die herstellende Industrie ist, müssen sich Produkte und ihr professionelles Handling verändern. Das digitale Drumherum heißt bei Iso-Chemie Baufuge 4.0, zum Serviceportfolio gehören die Bestellfunktion 24/7 sowie die Planungsunterstützung durch BIM-fähige Produktdaten.

Es fällt wirklich auf. Die Zeiten, in denen Aussagen über (Profi-)Kundennähe und spezifische Nöte von Verarbeiterzielgruppen als Lippenbekenntnisse durchgehen mussten, scheinen schon aus Eigennutz vorbei. Wo kein qualifizierter Montagebetrieb mehr, der auskömmlich mit vertretbarem Aufwand seine Dienstleistung erbringen kann und dafür in der Lage ist, auch Stellen zu besetzen, da haben dann am Ende alle Player in der Wertschöpfungskette ein Problem. Das führt u.a. zu einem neuen Blick auf die eigenen Sortimente, wie der Besuch bei Sonnenschutz-Marktleader Warema nahelegt. Das neu aufgestellte Fenster-Markisen-Programm lässt sich besser planen, beraten, montieren, so ist die neue einteilige Führungsschiene ab April für easyZip, Schiene, Markisolette verwendbar, also sinken Lageraufwand, Komplexität und damit Fehlerwahrscheinlichkeit. Besonders sexy: Der Fachbetrieb setzt eine Führungsschiene als Platzhalter ein, damit kann sich der Kunde bis zur Produktbeauftragung zwischen den Führungsarten entscheiden; das erforderliche Profil lässt sich einfach einklipsen. Das Klipsprofil kommt auch der neuen easyZip-Technik zugute, das Trendprodukt dürfte damit an Attraktivität nochmal zulegen.

Handwerks-Zielgruppen = GFF-Praxistage

Übrigens: Die Aussage von Vorstandsmitglied Harald Freund („Das Handwerk ist für uns ein überaus wichtiger Partner“) unterstreicht nicht zuletzt das Engagement der Marktheidenfelder Marke (neben Selve, Soudal, Aluplast) an vorderster Stelle auf den GFF-Praxistagen am 8. und 9. November 2019 im Hotel RadissonBlu in Ettlingen bei Karlsruhe, schließlich wird Beratungs- und Dienstleistungs-Fachmann Nikolaus Dupont den Teilnehmern dort die neue Einfachheit im Sortiment live auf der Bühne vor Augen führen.

Fazit: Die Perspektiven für Verarbeiter-Zielgruppen könnten kaum besser sein, sofern auch kleinere Betriebe verinnerlichen, dass – auf den qualifizierten Nachwuchs bezogen – der Berg heute zum Propheten kommen muss. Wer sich hier zukunftssicher aufstellt und beispielsweise in Hilfsmittel für seine Beschäftigten investiert, um die wertvolle menschliche Ressource ihrer Gesundheit zu schonen, dem muss es um sein Unternehmen nicht bange sein. Die Nachfrage steigt, das Angebot, vor allem in der qualifizierten Montage, stagniert bestenfalls, da sollten die Preise anziehen. Und die Zulieferindustrie hat großenteils verstanden, dass sie ohne Profi-Unterstützung am eigenen Ast sägt.