Das neue Bauvertragsrecht (BauVG) Der Anfang vom Ende der VOB/B?

Das am 1. Januar 2018 in Kraft getretene Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung wird nach der Prognose von Baujurist Dr. Andreas Koenen den Einfluss der VOB/B erheblich verringern.

Bei dem im März 2017 verabschiedeten Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung handelt es sich nach der Ansicht von Dr. Andreas Koenen, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in Münster, um das mit Abstand größte Gesetzgebungsprojekt im Bereich des privaten Baurechts seit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) im Jahr 1900. Hinter dem Gesetz verbirgt sich die Idee, die Rechtsbeziehungen der am Bau Beteiligten im Zuge eines – bis dato nicht vorhandenen – Bauvertragsrechts gesetzlich zu regeln.

Kooperation statt Konfrontation

Mit der BauVG habe der Gesetzgeber nicht nur ein von vielen Baujuristen seit Langem erwartetes eigenständiges Bauvertragsrecht geschaffen, sondern einen gesetzgeberischen Gesinnungswandel und Systemwechsel vollzogen, der sich auf die Kurzformel „Kooperation statt Konfrontation“ bringen lasse, resümiert Koenen weiter. Dieser Wandel sei sowohl der Gesetzesbegründung als auch den Regelungen selbst zu entnehmen, was insbesondere für die Paragrafen 650b, 650c und 650d BGB, das „Herzstück der Reform“, gelte. Diese betreffen das Anordnungsrecht des Bestellers (Paragraf 650b), die entsprechende Vergütungsanpassung zugunsten des Unternehmers (Paragraf 650c) und die darauf bezogene Möglichkeit der Bauvertragsparteien, streitige Fragen im Wege der einstweiligen Verfügung (Paragraf 650d) kurzfristig gerichtlich zu klären und durchzusetzen.

Kampfansage an die VOB/B

Ob die neuen Regelungen den vom Gesetzgeber angestrebten Zweck erreichen, darüber gehen die Meinungen laut Koenen weit auseinander. Eines bewirke das neue Gesetz aber zumindest: „Der Einfluss der VOB/B wird sich deutlich verringern“, so lautet seine Prognose. „Denn das BauVG stellt eine Kampfansage an die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil B (VOB/B), dar, die auf lange Sicht durchaus dazu führen kann, dass das Klauselwerk seinen 100. Geburtstag im Jahr 2026 nicht mehr erlebt“, mutmaßt Koenen.

Ungleichbehandlung beseitigt

Neben den speziell bauvertraglichen Regelungen enthält die Novelle noch weitere Gesetzesänderungen. So gibt es neue Regelungen, die für alle Werkverträge und werkvertragsähnlichen Verträge gelten, d.h. nicht nur für die in Paragraf 650a, BGB, definierten Bauverträge. Zudem enthält die Novelle eine Änderung der kaufvertraglichen Haftung, die sich insbesondere auf die so genannten Einbaufälle auswirke, wodurch eine Ungleichbehandlung zwischen Verbrauchern und Nichtverbrauchern beseitigt wird, die durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) entstanden war. „Das BauVG wird nur ein Anfang sein, dies war den Beratungen in den Ausschüssen und Gremien zu entnehmen und ist auch in der Gesetzesbegründung angelegt“, konstatiert Koenen. Von zentraler Bedeutung sei es in dem Zusammenhang, welche Auswirkungen das BauVG mit den neuen gesetzlichen Leitbildern auf die Auslegung und den Bestand der VOB/B habe.

Lange Rechtsstreitigkeiten adé

„Diese Frage wird die Diskussion der nächsten Jahre prägen und auch die neu geschaffenen Baukammern beschäftigen, die nun eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten sehr viel schneller werden entscheiden müssen“, sagt der Experte für Baurecht. Denn die vom Gesetzgeber mit der Regelung des Paragraf 650d, BGB, eröffnete Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung werde – neben der Stärkung des Kammerprinzips und der Zuständigkeit der Baukammern – aller Voraussicht nach zu einer Beschleunigung der Bauprozesse und vermutlich auch zu einer Stärkung der Akzeptanz staatlicher Justiz in Bausachen führen, die in den vergangenen Jahren sehr in Verruf geraten war.