Chancen und Risiken für den Unternehmer So gehen Sie jetzt vor, wenn der Kunde den Preis drücken will

Beim sog. kleinen Schadenersatz gibt es eine Änderung in der Rechtsprechung. Michael Baumgartner, Richter am Landgericht, sagt exklusiv in GFF, welche Auswirkungen das für ausführende Betriebe hat und welche Handlungsoptionen diesen zur Verfügung stehen.

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    Mängel aufgetreten? Machen Bauherren ihre Gewährleistungsansprüche mit dem sog. kleinen Schadenersatz geltend, können sie nur noch den Wertunterschied zwischen einem mangelfreien und dem mangelbehafteten Bauwerk in Geld realisieren.
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    Michael Baumgartner ist Richter am Landgericht.
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    Können sich Auftragnehmer und Auftraggeber nicht einigen, landen Streitfälle schnell vor Gericht.

Mit zwei Urteilen vom 22. Februar und 21. Juni 2018 hat der Bundesgerichtshof (BGH) seine Rechtsprechung beim sog. kleinen Schadenersatz im Rahmen der Gewährleistungsansprüche im Baurecht geändert.

Problemstellung

Weist ein Bauwerk Mängel auf, so stehen dem Bauherrn gegen den Unternehmer nach Abnahme verschiedene Gewährleistungsansprüche zu (siehe Kasten auf Seite 3). Die Rechtsprechungsänderung betrifft dabei den Anspruch des Bauherrn gegen den Unternehmer auf Zahlung von Schadenersatz. Hierbei kann der Bauherr zwischen dem sog. großen und dem sog. kleinen Schadenersatz wählen. Beim großen Schadenersatz gibt jede Vertragspartei die erhaltenen Leistungen zurück und der Bauherr erhält einen Ersatz für erlittene zusätzliche Schäden. Vereinfacht gesagt, soll der Bauherr so gestellt werden, als wäre es gar nicht zu dem Bauvertrag gekommen. Beim kleinen Schadenersatz behält der Bauherr das Werk und erhält lediglich einen finanziellen Ausgleich für den dadurch erlittenen Schaden, da das geschuldete Werk wegen des Mangels nicht vertragsgemäß und damit minderwertig ist. Die Rechtsprechungsänderung betrifft den letztgenannten Fall des sog. kleinen Schadenersatzes.

Rechtsprechungsänderung

Nach der alten Rechtslage hatte der Bauherr die Möglichkeit, mit zwei verschiedenen Berechnungsarten seinen Schaden zu ermitteln. Er konnte zum einen hinsichtlich des Bauwerks eine Art Vermögensbilanz erstellen. Dabei musste er den Wert des Bauwerks mit dem vorhandenen Mangel und den Wert des Bauwerks ohne Vorliegen dieses Mangels ermitteln. Die Differenz aus dem höheren Wert für das mangelfreie Bauwerk und dem niedrigeren Wert für das mangelbehaftete Bauwerk stellt dann den Schaden dar, den er vom Unternehmer ersetzt zu bekommen verlangen kann. Diese Möglichkeit der Schadensberechnung gilt nach der Rechtsprechungsänderung weiter.

Bis zur Rechtsprechungsänderung konnte der Bauherr alternativ seinen Schaden dadurch berechnen, dass er die fiktiven Mängelbeseitigungskosten (ohne Umsatzsteuer) als Schaden ersetzt verlangen konnte – auch wenn er nie vor hatte, den Schaden beheben zu lassen, sondern sich mit dem mangelhafteten Bauwerk arrangierte. Die Schadensberechnung nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten ist nach der Rechtsprechungsänderung nicht mehr möglich. Dies gilt für Bauverträge, die ab dem 1. Januar 2002 geschlossen wurden. Für früher geschlossene Bauverträge wurde die Frage offengelassen, dürfte aber in Hinblick auf den Zeitablauf kaum Relevanz besitzen. Die Regelung betrifft sowohl Bauverträge nach BGB wie auch die nach der VOB/B.

Praktische Auswirkungen

Die Mängelbeseitigungskosten sind regelmäßig deutlich höher als die Wertminderung des mangelhaften Bauwerks im Vergleich zu einem mangelfreien Bauwerk und können im Extremfall auch die vereinbarte Vergütung für das Werk überschreiten. Letzteres kann insbesondere dann der Fall sein, wenn etwa in einem Gebäude Fenster mit einer unzureichenden Wärmeschutz-Verglasung eingebaut wurden, die im Rahmen einer Mängelbeseitigung wieder zu entfernen sind, nicht mehr anderweitig verwendet werden können und wenn bei den Mangelbeseitigungsarbeiten in andere Gewerke eingegriffen wird. Wird andererseits durch den vorhandenen Mangel die Nutzbarkeit des Bauwerks nicht oder allenfalls mittelbar berührt, etwa bei optischen Beeinträchtigungen von Fassadenelementen durch Kratzer, so ist ein Bauherr schnell versucht, einen nicht unerheblichen Betrag für fiktive Mangelbeseitigungskosten vom Unternehmer einzustreichen, ohne den Mangel später beseitigen zu lassen.Dies gilt insbesondere dann, wenn der Bauherr selbst unter Zeitdruck steht, etwa weil er ein gewerbliches Gebäude in Betrieb nehmen muss oder sein Wohnhaus wegen der Kündigung seiner alten Wohnung pünktlich beziehen will.

Ein solcher finanzieller Anschub ist für den Bauherrn nach der Rechtsprechungsänderung durch den BGH nicht mehr möglich. Er kann nur noch den in aller Regel deutlich geringeren Wertunterschied zwischen einem mangelfreien und einem mangelbehafteten Bauwerk in Geld realisieren.

Handlungsmöglichkeiten für den Unternehmer

Wirtschaftliche Verständigung mit dem Bauherrn: Die neue Rechtslage könnte in Zukunft manchen Bauherrn, der bisher nach fiktiven Mangelbeseitigungskosten abgerechnet hätte, veranlassen, nunmehr den Mangel tatsächlich beseitigen zu lassen. Dies bringt wirtschaftlich gesehen dem Unternehmer keinen Vorteil, da es für ihn ohne Belang ist, ob der Bauherr nach der alten Rechtslage nach fiktiven Mangelbeseitigungskosten abrechnet oder ob sich nach der neuen Rechtslage bei tatsächlicher Mangelbeseitigung diese Mangelbeseitigungskosten auch realisieren, solange die kalkulierten fiktiven Mangelbeseitigungskosten nicht hinter den tatsächlichen Kosten einer Mangelbeseitigung zurückblieben. Ein Unternehmer kann daher einem Bauherrn, der zu erkennen gibt, eine Mangelbeseitigung vornehmen zu lassen, anbieten, die Mangelbeseitigung durch Zahlung eines pauschalen Geldbetrags, der über dem Minderwert des mangelhaften Bauwerks, aber – in einem für den Unternehmer wirtschaftlich relevanten Ausmaß – unterhalb der Mängelbeseitigungskosten liegt, abzugelten.

Abrechnung des Bauherrn nach dem Minderwert: Der Minderwert lässt sich für einen Bauherrn häufig ohne ein Gutachten nicht ermitteln. Stellt der Bauherr als Minderwert lediglich einen Geldbetrag in den Raum, so empfiehlt es sich, den Bauherrn zur Offenlegung seiner Berechnung und Bekanntgabe eines möglicherweise eingeholten Gutachtens zu bewegen. Wenn dies dazu führt, dass der Bauherr den Minderwert durch den Ansatz der fiktiven Mängelbeseitigungskosten ermittelt hat, so lässt sich diese Wertermittlung als unzutreffend zurückweisen. Dies gilt auch für ein Gutachten, das zur Ermittlung des Minderwerts die fiktiven Mängelbeseitigungskosten zugrunde legt.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass ein Minderwert auch für einen Sachverständigen umso schwieriger zu ermitteln sein wird, je spezieller das Bauvorhaben ist. So wird es etwa für die Fassadengestaltung eines Fußballstadions kaum Vergleichsobjekte geben, um deren Wert im mangelbehafteten Zustand beurteilen zu können. Da im Konfliktfall vor Gericht der Bauherr den Minderwert beweisen muss, stärkt dies die Verhandlungsposition des Unternehmens.

Vereinfachte Berechnungsmöglichkeit des Bauherrn: Der BGH hat dem Bauherrn bei der Ermittlung des Minderwerts für bestimmte Konstellationen eine Vereinfachung der Berechnung zugestanden. Wurde das Bauwerk ohne Beseitigung des Mangels veräußert, so kann der erzielte Kaufpreis für den Wert des mangelbehafteten Bauwerks angesetzt werden. Der Bauherr muss dann nur noch den Wert des Bauwerks ohne Mangel ermitteln.

Hat der Unternehmer nur einzelne Gewerke eines Gesamtbauvorhabens erbracht, etwa bei der Erstellung eines schlüsselfertigen Hauses die Glas- und Fensterarbeiten, so ist darauf zu achten, ob lediglich im Gewerk des Unternehmers Mängel aufgetreten sind oder auch in anderen von diesem nicht zu vertretenden Gewerken. Bestehen weitere vom Unternehmer nicht zu vertretende Mängel, die beim Verkauf des Bauwerks ebenfalls noch nicht behoben waren, so muss der Bauherr anhand der Gesamtkalkulation darlegen, welche Anteile die jeweiligen Mängel am Mindererlös beim Kaufpreis hatten. Da dies der Bauherr im Streitfall vor Gericht beweisen muss, stärkt dies die Verhandlungsposition des Unternehmers.

Position des Unternehmers gestärkt

Gerade in Zeiten steigender Grundstückspreise ist es möglich, dass bei Verkauf des Bauwerks trotz fehlender Mangelbeseitigung wegen des höheren Bodenwerts ein geringerer oder gar kein Mindererlös erzielt wird. Nach der Rechtsprechung ist es dem Bauherrn dann möglich, diese Wertsteigerung aus dem erzielten Kaufpreis herauszurechnen. Der Unternehmer sollte in diesem Fall darauf achten, dass der Bauherr diese Wertsteigerung nicht in seinem Sinne zu großzügig berechnet. In der Regel dürfte die Wertsteigerung, die im Streitfall vor Gericht der Bauherr zu beweisen hätte, nur durch ein Gutachten zu klären sein. Dies stärkt die Verhandlungsposition des Unternehmers.

Im Zuge eines Verkaufs des Bauwerks ohne Mangelbeseitigung ist es aber auch möglich, dass das Objekt zu billig veräußert wird und der Bauherr dadurch einen zu hohen Mindererlös geltend macht. Hier kann der Unternehmer dem Bauherrn dessen Schadensminderungspflicht entgegenhalten und den Ansatz des objektiven (höheren) Werts für das mangelhafte Bauwerk verlangen. Dies wird allerdings im Regelfall nicht ohne Gutachten möglich sein. Im Streitfall trägt hierzu der Unternehmer vor Gericht die Beweislast.

Mögliche künftige Entwicklung

Die Rechtsprechungsänderung könnte dazu führen, dass manche Bauherren, wenn sie ihre Gewährleistungsansprüche mit dem sog. kleinen Schadenersatz geltend machen, in Zukunft vermehrt den Mangel beseitigen lassen. Ein Unternehmer könnte deshalb im Verhandlungswege versuchen, eine Abgeltung der Ansprüche des Bauherrn durch Zahlung eines Geldbetrags unterhalb der (fiktiven) Mängelbeseitigungskosten zu erreichen. Dabei ist anzuraten, diese Vereinbarung schriftlich zu treffen und eine Abgeltungsklausel zu verankern, mit der im günstigsten Fall sämtliche Gewährleistungsansprüche abgegolten sind, zumindest aber die vom Bauherrn geltend gemachten.

Aufgepasst bei Vorschüssen

Wählt der Bauherr die Möglichkeit der tatsächlichen Mangelbeseitigung, so kann er im Kontext des kleinen Schadenersatzes auch die Zahlung eines Vorschusses durch den Unternehmer in Höhe der zu erwartenden Mangelbeseitigungskosten verlangen. Dies kann in der Praxis dazu führen, dass der Bauherr den Vorschuss kassiert, die Mangelbeseitigungsarbeiten aber nicht vornimmt und den Vorschuss anderweitig verwendet. In diesem Fall hat der Unternehmer die Möglichkeit, vom Bauherrn eine Abrechnung des Vorschusses zu verlangen. Stellt sich dabei heraus, dass eine Mangelbeseitigung nicht erfolgte, kann er die Rückzahlung des Vorschusses fordern. Allerdings ist es dem Bauherrn noch möglich, auch während eines laufenden Prozesses über Abrechnung und Rückzahlung des Vorschusses noch schnell mit einem Drittunternehmen einen Vertrag über die Mangelbeseitigung zu schließen. Eine Kostentragung für diesen Prozess kann der Unternehmer aber verhindern, wenn der Vertrag zur Mangelbeseitigung erst während des laufenden Prozesses geschlossen wurde. Der Unternehmer muss dann im Prozess den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären.